Kloster und Klosterkirche
Das Kloster Weißenau war ein Chorherrenstift der Prämonstratenser in Oberschwaben und bestand von 1145 bis zur Säkularisation 1802/1803. Es wurde im Jahr 1145 von Gebizo von Ravensburg gestiftet. Die Klostergebäude liegen heute auf dem Gebiet des Ravensburger Stadtteils Weißenau. Im Jahr 2020 feiert die Katholische Pfarrgemeinde St. Peter und Paul in Ravensburg, zu der das Kloster heute gehört, das 875jährige Bestehen.
Die barocke Klosterkirche wird als Pfarrkirche der Kirchengemeinde genutzt. Die Kirche St. Peter und Paul mit ihrer wertvollen Ausmalung und dem barocken Chorgestühl ist eine Sehenswürdigkeit an der Oberschwäbischen Barockstraße.
Heilig-Blut-Reliquie
Zentrum von Wallfahrten ist seit 1283 die Heilig-Blut-Reliquie in Weißenau. Nach glaubhafter Überlieferung hat Maria Magdalena unter dem Kreuz blutvermengte Erde des Erlösers geborgen. Über Südfrankreich und Straßburg kam dieses Heiligtum 1283 nach Weißenau. Jahrhunderte lang wurde die Reliquie in den Heilig-Blut-Ritten mit Pferden durch die Flure getragen.
Auch die beiden Feste, welche die Pfarrei aus der Klosterzeit heute noch weiterführt, das Fünfwundenfest im Frühjahr und das Magdalenenfest im Sommer, erinnern an die Verehrung des Heiligen Blutes.
Das Heilige Blut von Weissenau und seine Verehrung
Die Vorgeschichte des Heiligen Blutes von Weißenau ist nur in Form einer späteren Legende greifbar. Nach dieser soll Maria Magdalena etwas vom Blut Christi am Kreuz gesammelt und in einer Ampulle verwahrt haben. Diese nahm sie mit sich, als sie zusammen mit Lazarus und anderen frühchristlichen Zeugen auf ein leckes Schiff ohne Segel und Ruder ausgesetzt wurde und dann nach langer Irrfahrt am Ufer bei Marseille landete. In der Nähe habe sie dann noch 30 Jahre als Büßerin gelebt. Das Blut wurde in die Kirche St. Maximin in Marseille gebracht und dort verehrt. Einen Teil des Blutes soll der Merowingerkönig Dagobert I. (629-639) erhalten und in die von ihm erbaute Kirche St. Arbogast in Straßburg gebracht haben. Dort habe es, so die Weißenauer Überlieferung des 16. Jahrhunderts, Graf Rudolf von Habsburg zum Dank für eine Schlichtung zwischen Bürgerschaft und Bischof 1261 erhalten. König geworden, habe es Rudolf von Habsburg 1283 der Prämonstratenserabtei Weißenau geschenkt.
Es gibt allerdings keinerlei urkundlichen Nachweis über ein Heiliges Blut in Straßburg und dessen Schenkung an Rudolf von Habsburg. In Weißenau ist das Hl. Blut erstmals in dem zwischen 1283 und 1289 entstandenen Lohengrin und in Schenkungsurkunden von 1287 erwähnt. Es muss also vor 1287 nach Weißenau gekommen sein. Erst Abt Jacob Murer (1468-1533) bringt das Heilige Blut mit der reichen Schenkung von 400 Mark Silber durch König Rudolf von Habsburg in Verbindung, für welchen schon im 14. Jahrhundert ein Jahrtag gehalten wurde.
Über die Verehrung des Hl. Blutes im späten Mittelalter ist wenig bekannt. Das ändert sich in der Barockzeit im Zuge der Ordensreform nach dem Konzil von Trient. 1611 wurde das Hl. Blut mit großem Gepränge in die Mauritiuskapelle der Kirche übertragen, was zu einer Belebung der Wallfahrt beitrug. Populär waren vor allem die Blutritte am Ostermontag und um das Fest der Kreuzauffindung (3. Mai), wo man bis Manzell und Buchhorn (heute Friedrichshafen) ritt. 1710 wurde zur Verehrung des Hl. Blutes eine Fünf-Wunden-Bruderschaft errichtet, 1739 ein neuer Heilig-Blut-Altar in der Mitte der Kirche aufgestellt. Zur feierlich begangenen 500-Jahrfeier der Übergabe wurde 1783 der neue Kreuzaltar mit dem Hl. Blut errichtet. Doch der geplante große Blutritt musste auf Weisung des Bischofs von Konstanz unterbleiben. Denn die Zeit der Aufklärung unter Kaiser Joseph II. war solchem barocken Übermaß nicht mehr gewogen.
In dieser Zeit mehrten sich auch Stimmen, die an der Echtheit der zahlreichen Heilig-Blut-Reliquien (besonders häufig in Oberschwaben mit Weingarten, Weißenau, Bad Wurzach, Roggenburg usw.) zweifelten. Benediktiner aus Weingarten und Abt Georg Lienhardt von Roggenburg (1717-1783) unternahmen Versuche, die Echtheit und vor allem die Zulässigkeit und Art der Verehrung zu verteidigen.
Die Verehrung des Hl. Blutes in Weißenau überstand auch die Aufhebung des Reichsstiftes 1802. Die 600-Jahrfeier 1883 wurde festlich begangen, allerdings nicht mehr in barockem Gepränge. Ein weiterer Blutritt wurde 1951 aus Anlass des 800jährigen Bestehens des Klosters gehalten, ebenso 1983 im Rahmen der Feierlichkeiten zur 700-Jahrfeier der Übergabe der Reliquie. Zu diesem Anlass erschien auch eine umfangreiche Festschrift mit der Geschichte der Heiligblut-Reliquie.
Ulrich G. Leinsle O.Praem.
Pater Leinsle ist Hauptzelebrant am Fünf-Wunden-Fest am Freitag, 13.03.2020 und wird im Anschluss an den Gottesdienst im Magdalenensaal auch einen geschichtlichen Vortrag halten.
Wallfahrten und Blutritte
Ulrich G. Leinsle O.Praem. hat den folgenden Bericht des Abtes Johann Christof Härtlin (1616 – 1644) zusammen- und der Diözesanbibliothek Rottenburg zur Verfügung gestellt. Abt. Johannes war Dr. der Theologie und einer der bedeutendsten Äbte des Stiftes Weißenau. Er veranlasste die Errichtung eines neuen Hochaltars und die Erneuerung des damals bereits 500 Jahre alten Chorgestühls der Klosterkirche.
Der Bericht des Abtes über Wallfahrten und Blutritte ist somit 400 Jahre alt:
Wallfahrten gehören zur geistlichen Kultur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Sie wurde auch in Weißenau eifrig gepflegt. Abt. Härtlin ging selbst im Dreißigjährigen Krieg mehrmals nach Einsiedeln. Jedes Jahr schickte er drei Mitbrüder dorthin. Außerdem wallfahrtete das Stift jährlich nach Pfärrich, zur Guten Beth (sel. Elisabeth von Reute) und an einen weiteren vom Abt festzulegenden Wallfahrtsort. Zu St. Verena (1. September) aber verrichtete der Hofmeister mit drei Knechten und zwei Mägden die Wallfahrt für das Vieh nach Kehlen. Vormals konnten sie dort oft keine Messe erreichen; jetzt wird mit ihnen mindestens ein Priester geschickt. Sollte dies einmal nicht möglich sein, muss eine weitere Person vom Maierhof mitgehen, damit wenigsten sieben Personen die Wallfahrt verrichten. Als Gabe sollen sie 14-15 Pfund Schmalz mitnehmen.
Die wichtigsten Wallfahrten für Weißenau aber waren die Umritte mit der nach Haustradition 1283 von Rudolf von Habsburg geschenkten Heiligblutreliquie. Wie zu feierlichen Gelegenheiten heute noch, wurde die Weißenau Reliquie in feierlichem Umritt über Land geführt. Durch die Reformationswirren, den Bauernkrieg und Schmalkaldischen Krieg kam der Umritt zwar nicht gänzlich außer Übung, das Hl. Blut wurde aber wenig verehrt. Verwahrt wurde das Heiligtum nur in gemainer Sacristia in ainem schlechten kasten bey anderen hailthumber. Erst Härtlins Vorgänger Jacob Mayer ließ 1609 einen neuen Tabernakel für das Hl. Blut anfertigen und übertrug es 1611 in die Mauritiuskapelle. Die festliche religiöse Gestaltung der Heiligblutritte ließ sich Abt Härtlin ein besonderes Anliegen sein. Zuvörderst verweist er darauf, daß man alles durch und durch in guether ordnung, ohne unnöthiges geschwäz, leitfertigkeit und anders mehr, so zue der sach nicht gehörig, verrichten soll, in dem Reitten nicht hudlen oder sonsten muethwilliger weiß die Pferdt tumlen, sondern debita cum modestia, damit auch ein andacht darbey gespürt werde.
Der kleine Blutritt fand am Ostermontag statt. Er begann um 4 Uhr früh und zog zuerst zum Rebgelände am Weingartshof, wo der erste Altar mit Evangelium und Segen gehalten wurde. Dann ging es zurück und in die Ravensburger Rebhalde nach St. Christian hinaus. Dort wird vom Blutreiter die Messe gelesen und das Volk wird ab dem heyligen blueth getrenkht, d. h. es wird mit dem Hl. Blut gesegneter Wein gereicht. Anschließend wird im Pfarrhof gefrühstückt, vor dem Mesnerhaus der zweite Altar gehalten. Der dritte steht in Fidazhofen, wo der zuständige Bauer den Reitern gebackene Fladen offeriert, was vom Amtmann mit 3 kr. abgegolten wird. Die nächste Station ist Gorn-hofen, wo das Hl. Blut vom Pfarrer empfangen und das Volk getränkt wird. Auch die Reiter bekamen von dem Trunk; doch ist dieser abgeschafft, dann ess vil mehr auferbeulich die Kürchen besuechen allß dem Trinken abwarten. Weiter geht der Ritt, nun begleitet von den Pfarrkindern von Gornhofen, nach Bortenreute, wo wieder ein Altar gehalten wird, und Obereschach, wo sich in der Kirchen wieder Empfang und Tränkung abspielen. Wer noch nicht zelebriert hat, kann es hier tun. Die Predigt soll nicht wie früher der Blutreiter, sondern der Pfarrer von Obereschach halten. Danach gibt es beim Pfarrer ein Mittagessen; die Pferde werden versorgt, dann es gar extra rationem und ein rechte schinderei ist, daß die arme thüer (wie dann vorhin beschehen) biß umb 3 uhr nachmittag ohne fuetter sein sollen. Um 12 Uhr setzt man sich wieder zu Pferd und reitet weiter nach Untereschach, wo wieder ein Altar mit Segen gehalten wird. Dann geht es weiter nach Oberzell, wo man in der Kirche empfangen und das Volk getränkt wird. Im Rebgelände wird erneut ein Altar mit Segen gehalten; der letzte Altar steht beim Rahlenhof, von wo man zur Kirche zurückkehrt. Dort wird das Hl. Blut von einer Prozession empfangen, in die Kirche getragen und nach Motette und Segen wieder beigesetzt.